Ein Beitrag von Dr. Nguyen Minh Vu, Außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Sozialistischen Republik Vietnam in Südthüringen Kurier 6. Jahrgang Nr.4

 

 

Berlin – In diesem Jahr konnten Vietnam und die Bundesrepublik Deutschland das 45. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen feiern. Doch die Verbindung zwischen den zwei Ländern hat ihren Ursprung bereits im 19. Jahrhundert. Die Beziehungen und die Zusammenarbeit beider Länder haben sich in den letzten vier Jahrzehnten tiefgreifend, effektiv und sachlich weiterentwickelt. Besonders hervorzuheben ist die Hanoier Erklärung über die Gründung der strategischen Partnerschaft Vietnam – Deutschland, die anlässlich des Vietnam-Besuchs der Bundeskanzlerin Angela Merkel im Oktober 2011 unterzeichnet wurde.

 

 

In den letzten zehn Jahren haben die beiden Länder den Austausch hochrangiger Delegationen sowie andere Formen der Konsultation, wie z.B. den strategischen Dialog, den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit usw. verstärkt. Im Dezember 2019 wurde der Aktionsplan der strategischen Partnerschaft für den Zeitraum 2019-2022 indossiert, der auf viele wichtige Bereiche der Zusammenarbeit fokussiert ist. In den Bereichen Wirtschaft, Handel und Investition ist Deutschland in den vergangenen zehn Jahren weiterhin der größte Handelspartner Vietnams in der EU. Seit 2010 erreichte die beiderseitige Handelsbilanz ein jährliches Durchschnittswachstum von zehn Prozent. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug das Handelsvolumen zwischen Vietnam und Deutschland im Jahr 2019 15,7 Milliarden US-Dollar. In den ersten acht Monaten des Jahres 2020 erreichte das Handelsvolumen beider Länder fast 9,8 Milliarden US-Dollar und war damit die höchste bilaterale Handelsbilanz unter den ASEAN-Staaten. Bislang belegt Deutschland den 4. Platz der Investoren aus der EU und hat über 360 Projekte in den Bereichen Mechanik, Maschinenbau, Logistik, Chemie und erneubare Energien mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 2 Milliarden US-Dollar implentiert. Zugleich haben vietnamesische Unternehmen in 35 Projekte im Wert von 250 Millionen US-Dollar in den Bereichen Finanzen, Informatik und Gastronomie in Deutschland investiert. Am 08. Juni 2020 ratifizierte Vietnam das Freihandelsabkommen und das Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Vietnam. Es trat am 01.08.2020 in Kraft und bietet enorme Chancen für die Unternehmen beider Seiten, um Waren auszutauschen und zu investieren.

 

 

Vietnam besitzt viele Vorzüge und ist ein attraktiver Standort für ausländische Investoren. Zum einen bieten die stabilen politischen Verhältnisse und das attraktive Wirtschaftswachstum den Unternehmen gute Voraussetzungen für langfristige Investitionen in Vietnam. Zum anderen befindet sich Vietnam in einer für den Handelsaustausch  mit der Welt günstigen geografischen Lage. Schließlich verfügt Vietnam mit fast 100 Millionen Einwohnern über eine sehr junge, qualifizierte Bevölkerung mit sehr wettbewerbsfähigen Arbeitskosten. Vietnam gehört nunmehr zwölf Freihandelsabkommen der neuen Generation an und ist Migliedstaat der ASEAN. Für Unternehmen bietet es daher die perfekte Gelegenheit, um sich mit einem Markt von mehr als 600 Millionen Menschen in der Region zu verbinden.

 

 

Die vietnamesische Volkswirtschaft und ihre Institutionen erfahren eine schrittweise Öffnung. Transparenz und Einhaltung internationaler Standards  werden verbessert, damit ausländische Investoren  langfristige Handelsaktivitäten in Vietnam verfolgen können. Nach Schätzung des Internationalen Währungsfonds gehört das erwartete Wirtschaftswachstum Vietnams in Höhe von 2,4 Prozent in diesem Jahr, dank der Umsetzung drastischer Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, zu der höchsten Wachstumsgruppe der Welt. 2021 könnte, sofern sich die nationalen und internationalen Geschäftsaktivitäten wieder normalisieren, das Wachstum Vietnams 6,5 Prozent erreichen. Parallel dazu konnten von deutscher Seite bereits über zwei Milliarden US-Dollar für den Entwicklungsprozess in Vietnam eingesetzt werden und in Projekte für erneubare Energien, Umweltschutz oder duale Berufsausbildung investiert werden. Deutschland legt viel Wert darauf, Vietnam bei Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an historischen Stätten zu unterstützen.

 

 

Darüber hinaus fördert Deutschland die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit, um Vietnam bei der Vorbereitung auf die industrielle Revolution 4.0 zu unterstützen. Das Leuchtturmprojekt der vietnamesisch-deutschen Universität ist erfolgreich verwirklicht worden und hat bereits tausende junge Menschen ausgebildet und die Industrialisierung des Landes mit hochqualitativen Arbeitskräften unterstützt. Das seit März 2020 geltende deutsche Fachkräfteeinwanderungsgesetz und andere Projekte für Vietnam, wie die PASCH-Initiative sowie Programme der Berufs- und Krankenpflegeausbildung, tragen nicht nur zur Bewältigung des Arbeitskräftemangels in Deutschland bei, sondern schaffen für viele junge Vietnamesinnen und Vietnamesen neue Möglichkeiten, in einem fortgeschrittenen Umfeld in Deutschland lernen, erleben und arbeiten zu können. Darüber hinaus schaffen die bereits jetzt in Deutschland lebenden 200.000 Vietnamesinnen und Vietnamesen unzählige weitere Verbindungen auf zwischenmenschlicher Ebene.

 

 

Viele vietnamesische Unternehmen sind in Deutschland erfolgreich und haben Arbeitsplätze für Vietnamesen und Deutsche geschaffen und damit einen Beitrag zur Entwicklung und zum Wohlstand Deutschlands geleistet. Gerade in der Corona-Pandemie stehen Vietnam und Deutschland Seite an Seite miteinander und leisten sich gegenseitige Hilfe zur Bekämpfung der Krise. Während Vietnam Deutschland Gesichtsmasken und andere medizinische Hilfsmittel lieferte, arbeitete Deutschland mit Vietnam bei der Erforschung der Befunde zusammen und vergab Stipendien für Forschungsaufenthalte, die Bezug zu der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus haben. Beide Staaten pflegen eine enge Zusammenarbeit in den regionalen und internationalen Foren, fördern gemeinsam den Multilateralismus und die internationale Justiz. Insbesondere im Jahr 2020 waren beide Länder nichtständige Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, Vietnam übernahm den Vorsitz der ASEAN und Deutschland hatte die Präsidenschaft der EU im zweiten Halbjahr inne. Im September 2020 hat die Bundesregierung „Leitlinien zum Indo-Pazifik” beschlossen, die die Verstärkung der Zusammenarbeit mit den ASEAN-Ländern unterstreichen. Beide Seiten einigten sich darauf, die Zusammenarbeit zu fördern, Chancen zu nutzen und sich positiv und initiativ einzusetzen, um die asiatisch-europäische Verbindung zu festigen, dadurch Frieden und Stabilität in beiden Regionen zu schaffen und einen Beitrag zur Sicherheit und Entwicklung in der Welt zu leisten.

 

 

Kurz gesagt, würde ich die vietnamesisch–deutschen Beziehungen, als eine Beziehung der Zukunft, basierend auf einem soliden historischen Fundament, bezeichnen. Die positiven Ergebnisse und die großen Kooperationspotenziale sind die Impulse für eine noch tiefgreifendere, dynamischere und umfassendere bilaterale Zusammenarbeit in den kommenden Jahrzehnten, zum Nutzen beider Länder, für eine friedliche, stabile und wohlhabende Welt./.

 

 

Foto: Vietnamesische Nachrichtenagentur